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"Tell the chef, the beer is on me."
Heute Nacht wurde im Rahmen der Vertragskonferenz der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Marrakesch zu Schrankenregelungen für das Urheberrecht zugunsten von Menschen mit Sehbehindungen ein Durchbruch erzielt. Wie Monika Emert in einem Gastbeitrag Anfang des Monats beschrieben hatte, wurde seit mehr als vier Jahren unter dem Dach der WIPO über die sogenannte “Blindenschranke” verhandelt:
Im Kern soll mit dem Vertrag eine rechtlich verbindliche Urheberrechtsausnahme anerkannten Behindertenverbänden erlauben, Bücher in Blindenschrift oder anderen für Behinderte zugänglichen Formate herzustellen und über Grenzen hinweg zu verbreiten.
Vor allem große Lobbyverbände wie die Motion Picture Association of America (MPAA) versuchten bis zuletzt den Vertrag zu verhindern, wie aus einer Reihe von E-Mails der MPAA hervorging, die kurz vor der Konferenz an die Öffentlichkeit geraten waren (vgl. Washington Post dazu). Die darin geäußerte Befürchtung der MPAA ist, dass mit der Ausnahme für Menschen mit Sehbehinderungen die Tür für weitere Ausnahmen im Urheberrecht geöffnet wird.
Catherine Saez, die für Intellectual Property Watch über den Vertragsabschluss berichtet, schreibt angesichts der bis zuletzt großen Widerstände auch vom “Wunder von Marrakesch” (meine Übersetzung):
“Maryanne Diamond, seit kurzem nicht mehr Präsidenten der Weltblindenunion, zu Folge wurden alle Themen die für sehbehinderte Menschen wichtig sind behandelt: “Wir stehen immer noch unter Schock. Das ist der Anfang von einer geänderten Welt für sehbehinderte Menschen.”
Zentrale Bestimmung im Vertragsentwurf (PDF) ist die in Artikel 4 verankerte Aufforderung an nationale Gesetzgeber, eine Schrankenregelung zu Gunsten von Menschen mit Sehbehinderungen einzuführen. Dieser Schrankenregelung zu Folge wird hinkünftig auch ohne Zustimmung von Rechteinhabern die nicht-profitorientierte Erstellung von Kopien in zugängliche(re)n Formaten erlaubt sein. Im Gegenzug wird dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, eine Pauschalvergütung vorzusehen. Auch der grenzüberschreitende Austausch von zugänglichen Kopien wird in Artikel 5 erlaubt.
Mit Hilfe der neuen Schrankenregelungen werden endlich die neuen digitalen Möglichkeiten dafür genutzt, Menschen mit Sehbehinderung einen umfassenden Zugang zu Büchern zu ermöglichen. Bleibt zu hoffen, dass Deutschland diese Schrankenregelung möglichst bald in nationales Recht implementiert.
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Bereits im November letzten Jahres haben sich die niederländischen Urheberrechtsexperten Bernt Hugenholtz (IViR) and Martin Senftleben (VU Amsterdam) in einer Studie (“Fair Use in Europe. In Search of Flexibilities“) mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt, auf nationaler Ebene und im Einklang mit dem bestehenden EU-Recht das Urheberrecht soweit zu flexibilisieren, dass eine Funktionalität ähnlich dem Fair-Use-Prinzip im US-Copyright erreicht wird (via). Ihr Fazit: eine Änderung auf europäischer Ebene wäre zwar wünschenswert, aber auch auf nationalstaatlicher Ebene gibt es noch viele unausgeschöpfte Möglichkeiten. So ließe sich über die die Ausdehnung von bestehenden Ausnahmen (“Schranken”) die Flexiblität des Urheberrechts zu erhöhen, um eine bessere Kompatibilität mit digitalen Nutzungspraktiken herzustellen. In der Executive Summary heißt es dazu (meine Übersetzung):
“Der EU-Urheberrechtskorpus lässt viel mehr Raum für Flexibilität als die abgeschlossene Liste an zulässigen Beschränkungen und Ausnahmen nahelegen würde.”
Mittlerweile meldet derStandard.at unter Berufung auf Radio Netherlands Worldwide (RNW), dass es von Seiten der niederländischen Regierung ein Bekenntnis zu einer Urheberrechtsreform in Richtung der von Hugenholtz und Senftleben skizzierten Vorschläge gibt. So zitiert RNW den niederländischen Justizstaatssekretär Fred Teeven, dass er derzeit
“ein flexibleres System von Urheberrechtsschranken, das auch im europäischen Kontext funktionieren würde,”
prüfen lässt (meine Übersetzung).
Sollten die Niederlande tatsächlich eine Flexibilisierung des Urheberrechts durch eine Ausdehnung von Ausnahme- und Schrankenregelungen in Angriff nehmen, hätte das mit Sicherheit auch Folgen für entsprechende Diskussionen auf europäischer Ebene und in Deutschland. Auf europäischer Ebene würde so die angestrebte Harmonisierung urheberrechtlicher Regelungen, die ja nicht zuletzt auch mittels ACTA vorangetrieben werden soll, nicht mehr automatisch zu einer Verschärfung bestehender Bestimmungen führen. In Deutschland aber würde es den wiederkehrenden Verweis auf die Ohnmacht des deutschen Gesetzgebers in Urheberrechtsfragen zumindest teilweise entkräften.
"Tell the chef, the beer is on me."
"Basically the price of a night on the town!"
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